Am 11. Oktober 2025 fand das 1. Forum Kindergesundheit der Stiftung Kindergesundheit an der LMU München statt – unter dem Motto „Familien fragen, Expert:innen antworten“. Für uns von croomel war das eine großartige Gelegenheit, uns mit euch Eltern zu unserem Herzensthema Ernährung auszutauschen.
croomel Gründerin Prof. Dr. Andrea Maier-Nöth war als Expertin für Kinderernährung eingeladen. In spannenden Impulsvorträgen ging es aber auch um weitere Themen, die Familien betreffen – Resilienz, Kinderkrankheiten, Medien. Hier teilen wir praktische Anregungen, die die Expertinnen uns Eltern mit auf den Weg gegeben haben.
Prof. Dr. Dr. Koletzko, Gründer der Stiftung Kindergesundheit, eröffnete die Veranstaltung mit einem klaren Appell: Kindergesundheit gehört ins Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion. Die Bundesregierung hat den 17. Kinder- und Jugendbericht vorgelegt, der deutlich macht: Kinder brauchen Sichtbarkeit in allen politischen Entscheidungen.
Wir dürfen nicht vergessen: Kinder leben in einer Zeit voller Unsicherheiten – Klimakrise, Pandemie, der Verlust vermeintlicher Gewissheiten wie Frieden in Europa. Das Forum war ein wichtiger Schritt, um Eltern und Fachleute zu verbinden – und deutlich zu machen: Kindergesundheit ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch, digital und sozial zu denken.
Impulsvortrag 1: Picky Eaters – Braucht mein Kind Nährstoffsupplemente?

Referentin: Prof. Dr. Andrea Maier-Nöth, Professorin für Ernährungswissenschaften & Gesundheitspsychologie, Geschäftsführerin Eat-Health-Pleasure GmbH, Gründerin croomel
Fast jedes vierte Kind in Deutschland gilt als sogenannter „Picky Eater“, als ein Kind, das beim Essen sehr wählerisch ist. Weltweit betrifft das laut Studien sogar rund ein Drittel aller Kinder. Besonders häufig tritt dieses Verhalten im Kleinkindalter zwischen 2 und 6 Jahren auf.
Prof. Dr. Andrea Maier-Nöth forscht seit über 20 Jahren dazu, wie frühe Ernährung, Geschmackserlebnisse und Familieninteraktion zusammenhängen. Als Gründungsmitglied von croomel bringt sie wissenschaftliche Erkenntnisse direkt in den Familienalltag – wissenschaftlich fundiert, praxisnah und motivierend.
Was steckt hinter „Picky Eating“?
Wählerisches Essverhalten ist ein Zusammenspiel aus biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren:
- Biologische Einflüsse:
Manche Kinder reagieren empfindlicher auf Bitterstoffe (z. B. in Brokkoli oder Grünkohl) – das liegt in ihren Genen. Picky Eaters schmecken intensiver und reagieren sensibler auf Texturen oder Gerüche. - Psychologische und familiäre Faktoren:
Stress, Streit beim Essen oder übermäßiger Druck führen dazu, dass Kinder das Essen mit negativen Gefühlen verknüpfen. Andrea nennt das eine „Picky Family“ – wenn auch Eltern selbst stark auf bestimmte Lebensmittel reagieren. - Fehlende Esskultur:
Kein gemeinsamer Rhythmus, ständiges Snacken, Essen nebenbei – das unterbricht die natürliche Regulation von Hunger und Sättigung. - Normale Entwicklungsphasen:
Zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr lehnen viele Kinder Neues ab – ein Schutzmechanismus aus evolutionärer Sicht. Andrea nennt das „neophobisches Verhalten“: Kinder schützen sich unbewusst vor potenziell schädlichen Lebensmitteln. - Sensorische Sensitivität:
Viele Kinder reagieren auf Geruch, Konsistenz oder Aussehen mit echtem Ekel. - Erfahrungen und Prägungen:
Wer gezwungen wurde, etwas zu essen, oder negative Erfahrungen hatte (z. B. Bauchschmerzen), lehnt bestimmte Lebensmittel langfristig ab.
Ernährung braucht Geduld – nicht Druck
Andrea betont: „Picky Eater brauchen meist keine Nährstoffsupplemente, sondern Zeit, Vielfalt und positive Erfahrungen. Die Nährstoffversorgung bei Kindern ist in Deutschland insgesamt gut, wie die DONALD- und ESKIMO-Studien zeigen. Leichte Unterversorgungen gibt es vereinzelt bei Vitamin D, Folsäure, Eisen, Jod und Calcium – diese lassen sich aber gut über gezielte Lebensmittelauswahl ausgleichen. Nur bei nachgewiesenem Mangel oder chronischen Erkrankungen sollten Nahrungsergänzungen eingesetzt werden – und das immer in Absprache mit Kinderärzt:innen.
Tipps für Eltern – so kann es wieder Spaß machen
Andrea Maier-Nöth ermutigt Eltern, das Thema mit Leichtigkeit anzugehen – und vor allem: dranbleiben!
Hier ihre bewährten Strategien aus Forschung & Praxis:
- Essen mit allen Sinnen erleben: Wie riecht, fühlt, klingt oder schmeckt ein Lebensmittel? Darüber zu sprechen, macht Kinder neugierig.
- Vorbild sein: Kinder lernen am besten durch Beobachtung – also selbst mit Genuss essen!
- „Safe Foods“ auf den Tisch stellen: Lieblingslebensmittel geben Sicherheit. Daneben immer wieder Neues anbieten.
- Lebensmittel einzeln anbieten: Viele Kinder mögen keine Gerichte, in denen alles vermischt ist.
- Essen spielerisch gestalten: Farben entdecken oder ein Regenbogen-Teller – Spiel fördert Offenheit.
- Kinder einbinden: Beim Einkaufen und Kochen mitentscheiden lassen – das stärkt Selbstwirksamkeit.
- Kleine Portionen zum Probieren: Ohne Druck, ohne Bewertung.
- Wiederholung zählt: Kinder brauchen je nach Alter bis zu 15 Begegnungen, bevor sie Neues akzeptieren.
- Brücken bauen: „Das ist wie dein Lieblingsessen, nur mit einer anderen Soße.“
Impulsvortrag 2: Mutig & resilient aufwachsen – wie stärke ich mein Kind?
Referentin: Priv.-Doz. Dr. med. Katharina Bühren, Ärztliche Direktorin des kbo-Heckscher-Klinikums für Kinder- und Jugendpsychiatrie in München
Eines der zentralen Themen war: Resilienz – wir hörten, dass Resilienz das „Immunsystem der Seele“ sein kann, also die Fähigkeit, Krisen und Alltagsherausforderungen zu meistern und in persönliche Entwicklung umzuwandeln.
Was zeichnet resiliente Menschen aus?
- Ein optimistischer Bewertungsstil
- Hohe Selbstwirksamkeit: „Ich kann etwas bewirken, auch wenn’s schwierig ist“
- Das Bewusstsein eigener Stärken — und nicht Abhängigkeit von der Bestätigung von außen
Was erschwert Resilienz?
- Chronische Erkrankungen
- Unsicheres Bindungsverhalten
- Geringe Selbstregulation
- Traumatische Erfahrungen
- Stressige Umfelder
Welches Umfeld hilft Kindern?
- Harmonische Elternbeziehung
- Gute Geschwisterbindung
- Gutes Bildungsniveau, sozialer Status
- Ein autoritativer Erziehungsstil: hohe Responsivität + klare Führung
- Struktur mit „klaren Leitplanken“: Routinen, Regeln, Wertschätzung
- Vorbild sein: Eltern, die ihre Gefühle zeigen, Schwächen zulassen, offen über Fehler sprechen
Praxis-Tipps, die ich mitgenommen habe:
- „Denke laut“: Zeige deinem Kind, wie du denkst, wenn etwas schief läuft
- Verantwortung übertragen (z. B. kleine Aufgaben im Haushalt, Auswahlmöglichkeiten geben)
- Emotionen zulassen und benennen – auch negative Gefühle sind in Ordnung
- Unterstützung beim selbstständigen Problemlösen: gemeinsam überlegen, nicht alles abnehmen
- Positive Denkmuster fördern: ein „Mutmacher-Tagebuch“, in dem man tägliche kleine Erfolge festhält
- Körperliche Aktivität: Bewegung ist ein Stresspuffer
Impulsvortrag 3: Fieber, Bauchschmerzen, Müdigkeit, Impfung – wann muss ich zur Kinderärztin?
Referentin: Dr. med. Johanna Harris, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendgynäkologie
Bei diesem Impulsvortrag wurden ganz praktische Gesundheitsthemen besprochen: Wir möchten Abstand nehmen, hier auf dem Blog konkrete Handlungsempfehlungen in medizinischen Angelegenheiten zu geben, aber teilen gerne Dr. Harris‘ Motto „Zusammen gesund“. Eltern sind die wichtigsten Personen für die Gesundheit ihrer Kinder. Gesunde Kindheit ist Teamarbeit – zwischen Familien, Ärzt:innen und Gesellschaft.
Sie betonte außerdem, dass Kinder in politischen Entscheidungen immer mitgedacht werden müssen – etwa bei Gesundheitspolitik, Stadtplanung oder Bildung.
Impulsvortrag 4: Digitale Kindheit – wie umgehen mit Medien?
Referentin: Dr. phil. Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk
Ein großes Thema beim Forum war, wie wir Kinder in der digitalen Welt begleiten:
- Kinder wachsen mediengesättigt auf – das ist Realität
- Reines Verbot bringt wenig; wir brauchen Reflexion und Orientierung
- Offizieller Ratschlag: unter 3 Jahren keine Medien, ab 3 Jahren maximal 30 Minuten audiovisuelle Medien pro Tag (plus 10 Minuten pro Lebensjahr)
- Strategien für Mediennutzung:
• Restriktive Ansätze: zeitliche Regeln
• Diskursive Ansätze: das Kind einbeziehen, gemeinsam entscheiden
• gemeinsam Inhalte anschauen, mitsprechen lassen
• Inhalte und Qualität kritisch begleiten: nicht jedes Angebot ist gleichwertig - Medienkompetenz bedeutet: erkennen, was mir guttut und was nicht; sich positionieren. Die wichtigste Fähigkeit übrigens: das Medium selbst wieder ausschalten können.
- Ab ca. 8 Jahren sinkt die elterliche Kontrolle stark, daher ist gemeinsames Üben und Gespräch wichtig
- Anregung für den Alltag: gezielt medienfreie Phasen, Gespräche über das Gesehene, kreativer Einsatz von Medien (z.B. wie mache ich ein künstlerisches Foto?)
Appell an Eltern
„Für ein gesundes Aufwachsen in der Digitalität braucht es Eltern, die sich selbst reflektieren.“
Kinder orientieren sich an unserem Umgang mit Bildschirmen. Wenn wir bewusst abschalten, zuhören und ins Gespräch gehen – auch abseits von Medien – lernen Kinder, dass echte Geschichten überall warten: im Buch, im Spiel, im Gespräch.
Impulsvortrag 5: Veggie oder vegan für mein Kind – gut für die Gesundheit oder ein Risiko?
Referentin: Dr. Imke Reese, Zertifizierte Ernährungsberaterin (VDOE) und Zertifizierte Ernährungsfachkraft Allergologie (DAAB)
Zum Abschluss ging es um Ernährungstrends: vegetarisch, vegan, heute auch „plant-based“. Dr. Reese machte deutlich: „Vegetarisch heißt nicht automatisch gesünder.“ Es geht darum, frisch und vielfältig zu kochen und wenig hoch verarbeitete Lebensmittel zu konsumieren. Dann besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass ich meinem Körper und meinen Darmbakterien alles biete.
- Vegetarische Ernährung ist meist problemlos, wenn Milch und Eier konsumiert werden.
- Vegane Ernährung kann funktionieren – mit Supplementierung.
- Die Mediterrane Ernährung bleibt wissenschaftlich am besten belegt für Gesundheit – und hier gibt es keine Verbote
- Generell gilt: Je restriktiver die Diät, desto mehr muss danach geschaut werden, ob alle Nährstoffe in ausreichender Menge zugeführt werden.
- Als Allergologin kennt sie Kinder, die ausgegrenzt sind, weil sie nicht alles essen dürfen. Deshalb plädiert sie dafür, Kinder auch in die Entscheidung mit einzubeziehen, ob sie vegetarisch oder vegan essen möchten.
Mein „Impuls“
Wer den Post aufmerksam durchgelesen hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass ein Aspekt in jedem Vortrag vorkam: die Vorbildfunktion von uns Eltern. Wenn wir also etwas von unseren Kindern möchten, müssen wir bei uns selbst anfangen. So leicht und so schwer zugleich.
👉 Was denkt ihr?
Wie geht es euch mit eurer Funktion als Vorbild? Wo fällt es euch leicht und wo schwer, ein Vorbild für euer Kind zu sein?

